
Das kleine Teufelchen in Reisenden ist meist nur ein innerer Schweinehund. Den aber kann man besiegen!
Auch beim Reisen bewahrheitet sich das alte Sprichwort: Aus Fehlern wird man klug. Wer niemals unterwegs etwas falsch machte, ist mir sehr suspekt. Wer stets schon alles vorher weiß: Herzlichen Glückwunsch an Traveller mit seherischen Fähigkeiten – allein mir fehlt der Glaube! Wer neunmalklug mit seinen Patentrezepten weiß, was für andere gut ist, landet in meiner Schublade für Spinner.
Eine regelrechte Trainerstunde gab es für mich im November 2006 auf Penang (Malaysia) von einem, der bereits seit zwölf Jahren allein unterwegs war. Der Schweizer „Coach“ war damals Mitte 50 und es dauerte, mit ihm warm zu werden. Was soll man zuerst denken, wenn jemand mit freiem Oberkörper, dafür aber in einer langen Hose von feinstem Zwirn vor seinem Bungalow sitzt? Glatze, Statur eines Kirmes-Boxers. Rauchte nicht, trank keinen Alkohol, Junggeselle aus Überzeugung. Er schrieb von unterwegs noch Briefe und bezahlte stets bar.
Die drei Tage, die wir gemeinsam verbrachten, waren allerdings Gold wert! Er wusste nicht alles, aber das, was er preis gab, entsprang der Erfahrung vieler Jahre in vielen Ländern. Alles, was südlich der Grenze USA – Mexiko lag, hatte er jahrelang ausgiebig bereist. Anderswo auf der Welt war er ebenfalls kein heuriger Hase. Nur aus Westafrika hatte er ziemlich schnell wieder das Weite gesucht.
Was aber genau lernt man denn nun angeblich (oder wirklich) auf Reisen? Ich meine: Nichts Wesentliches, nichts Lebensnotwendiges, was man nicht auch daheim lernen könnte! Auch für Globetrotter gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Man kann auch monatelang die Welt bereisen und trotzdem nicht klüger heimkehren. Unterwegs zu sein allein macht noch lange nicht lebensweise! Lernen zu wollen genügt nicht, man muss es auch können.
Menschenkenntnis lässt sich in der großen weiten Welt besonders gut lernen. Vor allem Mitreisende zeigen an fernen Orten oft ein (hässliches) Gesicht, das man unter anderen Umständen von ihnen nie gesehen hätte. Ich habe viele sogenannte schräge Vögel kennen und schätzen gelernt, denen ich daheim womöglich unrecht getan hätte. Andererseits liefen mir unterwegs genügend klugscheißende vorgebliche Landeskenner über den Weg, die zwar in der Lage waren, sich allmorgendlich ein Armani-Hemd überzuziehen, es aber ohne fremde Hilfe nicht schafften, von A nach B zu gelangen. Ich habe gelernt, dass es lohnt, sich im Zweifel ein paar Momente in die Schuhe des jeweilig anderen zu stellen – es hilft wirklich.
Wer sich darauf einlässt (und dazu muss man nicht erst auf dem Jakobsweg pilgern) kann auf Reisen auch Demut lernen.
Man kann tatsächlich auf Reisen in vielem besser werden als daheim. Denn es agiert sich unterwegs sehr viel flexibler als in den heimischen eingefahrenen Bahnen. Jeder kann schnell lernen, dass auch ohne detaillierten Plan ein geordnetes Leben möglich ist. Man wird erfindungsreicher als in der gewohnten Umgebung, wenn fern der Heimat die berühmte Säge einmal klemmt.
Auch Effizienz lässt sich auf Reisen besonders gut lernen. Der (fast immer) begrenzte Rahmen an Zeit und Geld macht kreativ darin, möglichst viel für das vorhandene Geld zu erleben. Zu guter letzt: Man wird auf Reisen sehr viel gelassener!
Was hat nun der eingangs erwähnte Schweizer hinterlassen, dass es mir so im Gedächtnis haften blieb?
Erstens, dass nur diejenigen, die auch vor ihren Reisen mit beiden Beinen im Leben standen, an fernen Gestaden nicht die Bodenhaftung verlieren.
Zweitens, dass man zu oft verlassen ist, wenn man sich auf andere verlässt.
Drittens, dass man auf Reisen nichts wird, was man nicht daheim bereits war.

Es gibt wahrlich schönere Strände in Malaysia als den von Batu Ferringhi (Insel Penang). Lehrreich war die Stippvisite dort aber allemal!
Lektion 1: Wo auch immer man auf dieser Welt unterwegs ist, sollte das Geld aus der kalten Heimat kommen! (Auch wenn dieser alte Reise-Hase bereits monatelang zur Aufbesserung der Reisekasse in Venezuela nach Diamanten gegraben hatte, so konnte er sich darauf verlassen, niemals wirklich klamm zu werden: Er lebte von den Zinsen dessen, was er sich in 25 Jahren hart erarbeitet hatte.)
Lektion 2: Immer, wenn man denkt, es ginge nichts mehr, geht noch verdammt viel.
Lektion 3: Sich niemals fürchten – das lähmt. Aber die Angst als ständigen Begleiter zulassen – das schützt.
Lektion 4: In der Heimat sollte es stets eine Vertrauensperson geben, die z. B. schnell mit der Hausbank kommunizieren oder Behördenprobleme ausräumen kann.
Lektion 5: Die Erde daheim nie so sehr verbrennen, dass man nicht notfalls darauf jederzeit wieder sein Zelt aufschlagen könnte.
Lektion 6: Sich ausreichend resistent gegen Langeweile machen, bevor man auf Reisen geht. Viele Talente schaden nur dem, der keine hat.
Lektion 7: Nicht kiffen, nicht saufen und wenn böse Buben/Mädchen locken – folge ihnen nicht.
Lektion 8: Stets so viel Bargeld bei sich führen, dass man notfalls jedes Land verlassen kann, wenn es brenzlig wird. In der Stunde der Gefahr zählen Mastercard & Co nicht mehr und auch der Geldautomat hat dann keine Lust, Scheine auszuspucken.
Lektion 9: Misstraue allen, die unterwegs mit klugen Ratschlägen aufwarten. Landsleuten misstraue doppelt.
Lektion 10: Kleider machen Leute – auch auf Reisen. (Der „Lehrmeister“ reiste grundsätzlich nur im Anzug, mit Hut und Reisetasche.)
Nein, auch dieser alte Reise-Hase hatte die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Aber er wusste gut, wovon er sprach. Seine aus Lebens- und Reisepraxis hervor gegangenen Regeln mögen keine goldenen, wohl aber nützlich. Er hatte ausreichend Lehrgeld gezahlt – und wird wohl heute noch immer dazu lernen. Aber er würde nicht mal in Alptraum-Nächten daran denken, sein Wissen zu Geld zu machen. Ich habe sein schallendes Gelächter noch immer in den Ohren als ich ihm dies vorschlug. Der Gedanke an den einen oder anderen „Seminar“-Schlauberger amüsierte ihn damals bereits köstlich.
Zu zwei Reise-„Weisheiten“ versteige ich mich allerdings doch noch abschließend:
Gesundheit, Glück & Liebe braucht es, bevor man auf Reisen geht!
Es sind die einzigen drei Dinge, die dauerhaft nicht entbehrlich sind. Und Gottseidank kann man sie sich niemand kaufen. Für kein Geld der Welt!
Die schönen Dinge auf Reisen sind eben keine Dinge! Es sind Menschen! (Oder es sollte so sein!)